Lestat de Lioncourt: Die Schatten hinter den Schatten (Teil 18)

Die Flammen brannten noch immer, als Lestat aus den rauchgeschwärzten Trümmern der Kirche trat. Hinter ihm zerfielen jahrhundertealte Steine zu Asche, ein Mahnmal für den Krieg, der begonnen hatte.

Marius stand neben ihm, sein Blick in die Nacht gerichtet.

„Du hast es gespürt, nicht wahr?“ fragte er leise.

Lestat schnaubte. „Natürlich habe ich es gespürt. Es fühlt sich an wie eine Faust aus Dunkelheit, die sich um uns schließt.“

Maharet war verschwunden, aber ihre Warnung hallte noch in seinen Gedanken nach.

Ein größerer Feind.

Aber wer oder was konnte so alt, so mächtig sein, dass selbst Maharet, eine der ältesten Vampire, sich genötigt sah, einzugreifen?

Armand, noch geschwächt, trat aus den Schatten. Sein Blick war finster. „Wir müssen nach Kairo.“

Lestat warf ihm einen prüfenden Blick zu. „Kairo? Seit wann spielst du den Propheten?“

Armand trat näher, seine dunklen Augen voller Entschlossenheit. „Weil ich ihn gesehen habe.“

Lestat wurde still.

„Wen?“ fragte Marius.

Armand zögerte, als hätte er Angst, die Worte auszusprechen. Dann, mit einer Stimme, die kaum mehr als ein Flüstern war, sagte er:

„Akasha.“

Ein eisiger Schauer lief Lestat den Rücken hinunter.

„Das ist unmöglich.“


Die Rückkehr der Blutgöttin

Akasha war tot.

Lestat hatte es selbst gesehen. Er hatte ihre kalte, leblose Hülle in seinen Armen gehalten, hatte gespürt, wie ihr uraltes Blut versiegte.

Und doch …

Marius’ Miene war steinhart. „Du musst dich irren.“

Aber Armand schüttelte den Kopf. „Nein. Ich habe sie in meinen Träumen gesehen. Sie ist da. Irgendwo in Kairo.“

Lestat lachte trocken. „Ach, komm schon, Armand. Ich habe all diese Märchen über wiedergeborene Götter und uralte Flüche gehört. Aber das hier?“ Er schüttelte den Kopf. „Akasha ist Geschichte.“

Doch tief in seinem Inneren nagte die Möglichkeit an ihm.

Was, wenn sie es nicht war?

Was, wenn Maharets Warnung genau darauf abzielte?

David trat aus dem Rauch hervor, seine Stirn in Falten gelegt. „Kairo …“ murmelte er. „Ich habe in alten Manuskripten gelesen, dass es dort einen verborgenen Tempel geben soll. Einen, in dem die Ältesten ruhten, lange bevor Akasha und Enkil zu Stein wurden.“

Lestat kniff die Augen zusammen. „Und du sagst mir das erst jetzt?“

David zuckte mit den Schultern. „Es schien mir nicht wichtig. Bis jetzt.“

Marius atmete tief durch. Dann, mit der Ruhe eines Kriegers, der sich auf die Schlacht vorbereitet, sagte er:

„Dann reisen wir nach Kairo.“


Das Herz der Finsternis

Die Reise nach Ägypten war schneller als ein Flügelschlag in der Nacht.

Kaum hatten sie ihre Pläne geschmiedet, durchquerten sie die Kontinente, bis sie in der alten, pulsierenden Stadt ankamen.

Kairo war ein Moloch aus Licht und Schatten, aus Moderne und uralter Magie.

Doch tief unter den Straßen, verborgen vor der Welt, lag ein Tempel, den die Zeit vergessen hatte.

Und dort wartete die Wahrheit.

Lestat, Marius, Armand und David standen vor einem massiven Sandsteintor, dessen Inschriften älter waren als jede Zivilisation.

Lestat berührte das Gestein – und in diesem Moment …

… öffnete sich die Tür wie von Geisterhand.

Ein kalter Luftzug strömte ihnen entgegen.

Und dann hörten sie es.

Ein Flüstern.

Zuerst kaum hörbar.

Dann lauter.

Ein Lied, das Lestat nur zu gut kannte.

„Oh non …“ murmelte er.

Marius sah ihn an. „Was?“

Lestat schluckte.

„Das ist … meine Musik.“

Und in der Dunkelheit vor ihnen formte sich eine Gestalt.

Groß. Schön. Todbringend.

Die Haut so weiß wie Marmor. Die Augen schwarz wie die Nacht.

Ein Lächeln, das Epochen überdauerte.

Akasha.

„Willkommen, mein schöner Lestat.“


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